Oh mann, was für ein leidiges Thema aber umso wichtiger, darüber einmal einen Artikel zu schreiben. Es geht um Hypermobilität und die Angst vor dem Biegen…
Seit 1,5 Jahren hüpfe ich von Orthopäde zu Orthopäde und helfen kann mir leider keiner, aaaaber ich darf mir von jedem nach 3 Minuten anhören „ooooh Sie sind hypermobil. Oh das ist aber schlecht! Einige freuen sich darüber, aber das ist nicht gut! Sie werden Probleme bekommen…“
Nach dem 3ten mal, an dem ich mir das anhören durfte, befragte ich meinen Freund Google was es denn mit der bösartigen Hypermobilität zu tun hat. Ich fand angsteinflößende Berichte über diese Krankheit. Ständiges Umknicken, nichts anheben zu können, Wirbel die einfach rausspringen. Super, jetzt war ich verunsichert. Aber es gibt ja noch Physiotherapeuten. Und davon kenne ich zwei sehr gut! Beide versicherten mir unabhängig voneinander folgendes: Sehr sehr viele Frauen „leiden“ an Hypermobilität. Es bedeutet vor allem, dass die Bänder eine sehr hohe Grundbeweglichkeit haben! Das ist genetisch festgelegt. Problematisch wird es vor allem, wenn man zu den beweglichen Bändern keine Muskelmasse hat, da die Muskeln die teilweise zu hohe Beweglichkeit der Bänder optimal ausgleichen können.
Damit war ich gleich beruhigter, vor allem, als mir mein Physio sagte ich darf alles dehnen und biegen, solange ich die entsprechende Muskelmasse habe, und die habe ich durch Pole
Würde ich den Orthopäden Bilder zeigen, wie ich mich verbiege, würden sie wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, weil das ja so ungesund ist, oder?
Viele haben Angst, ihren Rücken zu dehnen, da die Wirbelsäule ja bekanntermaßen sehr empfindlich ist und man will ja im Alter nicht gebückt und total ausgeleiert sein, nur weil man in jungen Jahren gedehnt hat…
Hierzu konnte ich mich die letzten Tage hervorragend mit Frederick van Laak austauschen. Er hat mir genau zu diesem Thema sehr viel erklärt. Letztendlich passten seine Erklärungen super zu denen der Physiotherapeuten:
Zu allererst ist es wichtig zu wissen, dass man Sehen und Bänder nicht dehnen kann! Diese sind von ihrer Flexibilität genetisch festgelegt und sind nicht weiter ausbaufähig. Das was tatsächlich gedehnt wird, sind unsere Muskeln. Diese werden durch dehnen geschmeidiger, allerdings ist reines dehnen ohne Krafttraining nicht gesund. Es muss eine gute Mischung sein um den Körper beweglich und stabil zu halten. Durch das Dehnen des Rückens werden die Bandscheiben flexibel gehalten. Betrachtet man eine Wirbelsäule eines im Büro arbeitenden Menschen, so ist diese oft in einer sehr einseitigen starren Haltung. Die Bandscheiben werden nur in eine Richtung gedrückt und damit einseitig belastet. Viel wichtiger ist es, sie in alle Richtungen zu bewegen, um einseitige Belastungen zu vermeiden und sie gesund und geschmeidig zu halten.
Auch die Wirbel selber nehmen keinen Schaden vom Backbend Training – zumindest nicht, wenn man es richtig und langsam macht. Die Wirbel können sich in Ruhe in eine gute Position bringen – so entstehen keine Abnutzungen oder andere Schäden der Wirbel.
Zusammengefasst ist Backbend bzw Flexibilitätstraining absolut nicht schädlich. Dennoch sollte man sich an folgende Punkte halten:
- Ausreichend Muskulatur zur Flexibilität
- Langsam in alle Posen hinein und hinaus
- Nie übertreiben mit der Heftigkeit und der Dauer der Dehnung
- Auf das richtige Training achten
- Fehlhaltungen vermeiden (dauerhaftes Hohlkreuz)
Um ehrlich zu sein mache ich mir mit meiner Flexibilität weniger Gedanken, als es ein Schreibtischhengst tun sollte!
Hier ein kleines Flexy-Video
1. Contortion Training mit Frederick van Laak Dez 2015 in Berlin from Carolin Schmitt on Vimeo.
Vielen vielen Danke für deinen Artikel! Das ist genau das, was ich gebraucht habe! Ich bin auch hypermobil, vor allem in den Knien und im Rücken – Brücke, Spagat und Co. waren nie ein Problem für mich. Allerdings mache ich seit einiger Zeit Ballett, wo ich zusätzlich viel dehne. Als ich erfahren habe, dass ich hypermobil bin, hatte ich furchtbare Angst vor dem Dehnen, dass ich alles schlimmer machen würde. Allerdings mache ich auch viermal die Woche Muskelaufbautraining und will mich jetzt von einer Physiotherapeutin beraten lassen. Ich hatte so Angst davor, weil ich befürchtet habe, dass ich zu hören bekomme, dass ich Ballett aufgeben muss. Du hast mich sehr beruhigt.
LG,
Janine
Hi,
Danke für diesen tollen Bericht. Ich selbst bin seit 1 Jahr dabei mit Pole Dance. Allerdings komme ich an der Pole was die Kraft angeht nun an meine Grenzen und da du in deinem Bericht ja auch sagst dass ausreichende Muskulatur notwendig ist, wollte ich gern mal von dir wissen ob du neben der Pole zusätzlich noch Krafttraining machst und wenn ja, was würdest du empfehlen. Mit oder ohne Gewichte? Ich selbst hab bisher immer ohne Gewichte gemacht weil ich dachte dass das Training mit dem eigenen Körpergewicht besser ist um an der Pole Fortschritte zu machen. Oh man so viel Text. Sorry
Toller Artikel, gefällt mir gut. Ich habe diesen auf Facebook geteilt und
ein paar Likes dafür bekommen. Weiter so!
Hallo,
ich bin auch hypermobil.
Wie geht’s euch damit?
Könnt ihr gut damit leben? Ich hab am ganzen Körper Schmerzen und die furchtbaren Schreckensberichte im Inet über Hypermob. machen es noch schlimmer……
Vor allem die Angst vor Ehlers Danlos Syndrom in dem Zusammenhang……..
GLG
Danke für den mutmachenden Artikel!
Ich, 28 Jahre jung, bin auch hypermobil und habe inzwischen 4 Schulter Operationen hinter mir, da sie mir beidseitig an die 100 Mal ausgekugelt sind. Bevorzugt im Schlaf oder beim Wäsche aufhängen. Sie waren irgendwann so instabil, dass ich nicht mal mehr mit dem Fahrrad über Pflastersteine fahren konnte, da sie selbst da rausgehüpft sind.
Und das anders, als bei „Gummimenschen“ vermutet, unter höllischen Schmerzen und ständigen Aufenthalten in der Notaufnahme.
Ich habe nun Latarjet-Oparationen an beiden Seiten gemacht bekommen. Seitdem sind sie wenigstens nicht wieder ausgekugelt, aber ich leide unter Schmerzen.
Auch mein linkes Handgelenk, linkes Knie und die HWS sind instabil, was mit verschobenem Atlas-Wirbel und chronischer Migräne (bis zu 20x im Monat) einhergeht.
Nebenbei leide ich unter dem typischen beim HMS. Ständigen blauen Flecken, immer sehr niedrigem Blutdruck, Trigeminusproblemen und Fußfehlstellungen. Meine Haut ist so dünn, dass sie beim Nähen reißt, weshalb sie mich nach OP’s oft tackern mussten oder ich mir bei Pflastern oft die ganze Haut mit abziehe. Grässlich!
Bald lasse ich mich von einem Genetiker nochmal auf das Ehlers-Danlos-Syndrom testen.
Da ich sehr sportlich bin, bekam ich nun von sämtlichen Orthopäden ein Sportverbot aufgedrückt. „Ich solle die Gelenke schonen und bei Hypermobilität bringe Sport überhaupt nichts. Außerdem bestehe die potentielle Gefahr, dass mir die Schultern doch wieder auskugeln – gerade bei Stürzen – und dann könne man nichts mehr machen“. Das hat mich sehr frustriert, da ich jetzt auf so vieles verzichten muss. Auch auf Dinge, die ich so gerne noch beginnen wollte, wie Tanzen, Reiten, Kampfsport oder wieder Skateboard zu fahren…
Also habe ich mich auf die Suche begeben, mir Ratschläge von Physiotherapeuten eingeholt und mir selbstständig einen Trainingsplan zusammengestellt. Von Dehnungen lasse ich soweit es geht die Finger! Und auch vom Spagat, den ich mal konnte. Das hat es langfristig verschlimmert. Ich beneide wirklich niemanden um seine Flexibilität! Das bringt soo viele Probleme mit sich.
Ich empfehle euch eine Spezialphysiotherapie, ausgerichtet auf Hypermobilität.
Sanfte Fitness Zuhause, wie Übungen für den Rücken und den Bauch, da ein starker Rumpf nochmal zusätzlichen Halt gibt.
Tiefenmuskulaturtraining, zb. durch Schwingstab.
Kräftigung der Wirbelsäule, des Brustmuskels und der HWS.
Und sanfte Sportarten wie Fahrradfahren, Walken und Schwimmen.
Verzichtet unbedingt auf alles, was zu stark auf die Gelenke geht, wie Joggen oder Klimmzüge. Ihr werdet es früher oder später bereuen.
Liebe Grüße an alle Mitbetroffenen